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18.10.2016 Christiane Stenzel | 2 Kommentare

Korallenbleiche

Mehr als nur eine Pigmentstörung

Verena Schoepf Foto: C. Cornwall
Die Meeresbiologin Dr. Verena Schoepf Foto: C. Cornwall

Frau Dr. Schoepf, Sie sind Meeresbiologin mit den Forschungsschwerpunkten Korallen, Klimawandel und Korallenbleiche. Wie muss man sich denn Ihren Arbeitstag vorstellen? Können Sie einen "gewöhnlichen" Tag kurz für unsere Leser skizzieren?


Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass es einen „gewöhnlichen“ Arbeitstag eigentlich nicht gibt! Ich habe das Glück, dass Feldarbeit ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist, sodass ich immer wieder an tollen Orten der Welt unterwegs bin. So habe ich z.B. schon am Roten Meer, in der Karibik, am Grossen Barriere Riff (GBR) und in zahlreichen Riffsystemen in West-Australien gearbeitet. Ich halte aber auch Korallen in Aquarien, und simuliere dort den Klimawandel unter kontrollierten Bedingungen. Weiters findet ein grosser Teil meiner Arbeit auch im Labor statt, wo ich physiologische und geochemische Analysen mache. Dazu kommt dann natürlich auch das Betreuen von Studenten und viel Computer-Arbeit, die Bereiche wie Daten-Analyse oder das Verfassen und Reviewen von wissenschaftlichen Manuskripten beinhaltet.

 

Sind Sie über die Arbeit zum Tauchen gekommen – oder umgekehrt?


Ich wollte schon als Kind Meeresbiologin werden, und daher war es schon früh mein Ziel Tauchen zu lernen – sowohl im Hinblick auf meinen Karrierewunsch, aber auch um die faszinierende Unterwasserwelt besser kennenlernen zu können. Da ich in Tirol in den Bergen aufgewachsen bin, habe ich im eiskalten Achensee auf fast 1000 m Seehöhe tauchen gelernt – das hieß dann öfters tauchen zu gehen, wenn rund herum noch Schnee lag und die Wassertemperatur unterhalb der Sprungschicht gerade einmal 4°C war!

Das Great Barrier Reef erstreckt sich über eine Länge von mehr als 2000 km - stimmt es, dass über 90 Prozent davon aktuell von der Korallenbleiche befallen sind?


Ja, das Great Barrier Reef hat heuer im australischen Sommer die schlimmste Korallenbleiche seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt – mehr als 90 % aller einzelnen Riffe waren betroffen, wobei der zentrale und nördliche Teil besonders stark betroffen waren. Dort waren im Mai dann schon 35 % der Korallen tot oder am Sterben. Das endgültige Ausmass wird allerdings erst in den kommenden Wochen klar werden, da dann die Wissenschaftler wieder die Riffen besuchen, die sie schon zum Höhepunkt der Bleiche im März und April besucht haben. Da werden wir dann wissen, wieviele Korallen gestorben und wieviele noch immer gebleicht sind oder sich erholen konnten.

 

Warum hat man das jetzt erst herausgefunden?


Das ist eigentlich nicht wirklich der Fall. Die Korallenbleiche am Great Barrier Reef und auch an anderen Orten der Welt war weltweit unglaublich viel in den Medien, inklusive den deutschen Medien. Das war bzw. ist eine weltweite Korallenbleiche, die bereits 2015 in der nördlichen Halbkugel begonnen hat und sich im Laufe von 2016 auf alle Ozeane ausgebreitet hat. An manchen Orten haben Korallen sogar schon in 2014 gebleicht, und es ist möglich, dass es heuer noch weitergehen wird.


Was stellt die größte Bedrohung dar für ein Korallenriff? Ist es „nur“ die Erwärmung des Wassers oder gibt es noch andere Faktoren, die dazu führen?


Die Erwärmung der Meere ist sicherlich eine der grössten Bedrohungen für Korallenriffe, wie die globale Korallenbleiche wieder deutlich gezeigt hat. Gleichzeitig bewirkt aber die Versauerung der Ozeane auch, dass es immer schwieriger wird für Korallen, ihr Kalkskelett zu bilden und weiterzuwachsen. Das hat dann natürlich letztendlich Folgen für alle anderen Organismen, die in Korallenriffen leben. Abgesehen vom Klimawandel gibt es dann auch noch jede Menge andere Bedrohungen fuer Korallenriffe, zum Beispiel Wasserschmutzung, Überfischung, Hurricanes oder die Dornenkronenseesterne, die Riffe buchstäblich auffressen koennen.

 

Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass sich ein befallenes Riff wieder erholt? Sie erforschen ja bes. widerstandsfähige Korallen, sogenannte „Super-Korallen“. Was können die genau? Und wo findet man die?


Korallen können sich von der Bleiche erholen, solange die Wassertemperaturen nicht zu heiss sind und der Hitzestress nicht zu lange andauert. Dieser Grenzwert ist allerdings ziemlich unterschiedlich und hängt in erster Linie von der geographischen Lage ab.

Es gibt allerdings auch Korallenriffe in sehr extremen Umgebungen, wie z.B. in der Kimberley Region in nordwest Australien. Dort gibt es die grössten tropischen Gezeiten der Welt (bis zu 10 m), was bedeutet, dass die Korallen dort extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt sind und bei Ebbe sogar für mehrere Stunden trocken fallen können. Solche Bedingungen halten nur wenige Korallen aus, und meine Arbeit hat gezeigt, dass diese Korallen auf Grund ihrer Anpassung an diese extremen Umweltbedingungen auch besser mit Hitzestress umgehen koennen. Leider bedeutet das nicht, dass sie damit auch immun gegen die Korallenbleiche sind – die heurige Korallenbleiche war so extrem, dass selbst die Riffe im Kimberley zum Teil stark gebleicht waren.

 

Das Great Barrier Reef ist für Taucher ein absolutes Traumziel. War‘s das dann – auf lange Sicht gesehen? Wie könnte das Riff in ca. 10 – 15 Jahren aussehen?


Wenn eine Korallenbleiche so extrem ist wie die heuer am Great Barrier Reef, dann bedeutet das, dass selbst die resistenteren Korallen bleichen und dass ein grosser Teil des Riffs stirbt. Um sich von so einem Extremevent zu erholen, braucht es dann sehr viel Zeit – länger als 10 - 15 Jahre, da gerade die massiven Korallen nur langsam wachsen und die überlebenden Korallen in ihrer Fortpflanzung beeintraechtigt sind. Wenn der Abstand zwischen solchen Störungen allerdings lang genug ist, können sich Riffe aber sehr wohl völlig erholen. Wichtig ist dabei, dass andere Stressfaktoren wie schlechte Wasserqualität und Überfischung gut gemanagt werden. Weiters muss man auch betonen, dass der südliche Teil des GBR nur wenig von der Korallenbleiche beeinträchtigt war.

Korallenbleiche in der Region von Kimberley Foto C. Cornwall
Korallenbleiche in der Region von Kimberley in Westaustralien Foto C. Cornwall

Was ist denn Ihr liebstes Tauchgebiet? Das Great Barrier Reef?

Das GBR steht sicherlich sehr weit oben auf meiner Liste, vor allem das äußere GBR und Riffe in der Coral Sea. Ich habe allerdings auch sehr viel im nördlichen Roten Meer bei Dahab getaucht, und habe die Riffe dort in sehr guter Erinnerung. Ein besonderes Erlebnis war es auch, in Mexico in den Cenotes zu tauchen – das unglaublich klare Wasser und die verwundenen Höhlensysteme waren extrem beeindruckend.

 

Haben Sie einen Tipp für uns Taucher? Was können wir tun, um die Riffe zu schützen?


Taucher spielen eine sehr wichtige Rolle, da sie die Unterwasserwelt hautnah erleben und ihre Faszination an andere Menschen weitergeben können. In diesem Sinne haben sie eine wichtige Vermittlerrolle. Im Fall von Korallenriffen ist Taucheretiquette auch sehr wichtig – wenn man sich dessen bewusst ist, dass Korallen fragile Lebewesen sind, anstatt einfach „Steine“, dann wird man nicht auf ihnen stehen, Stücke abbrechen oder gar Sprüche einritzen. Weiters ist es essentiell gut tarieren zu können, um so genug Abstand zu Korallen einzuhalten und auf diese Art Schaden zu vermeiden. Taucher können auch dazu beitragen, den Zustand von Korallenriffen zu monitoren, speziell zu Zeiten einer Korallenbleiche. Organisationen wie Reef Check bieten zu diesem Zweck Schulungen und praktisches Training für Taucher und Schnorchler an, die damit Citizen Science Projekte durchführen können.

 

Frau Dr. Schöpf, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Die Meeresbiologin Dr. Verena Schoepf studierte in Wien und Innsbruck, promovierte in den USA und erforscht heute an der University of Western Australia in Perth sogenannte Super-Korallen, um einen Ausweg aus dem Korallensterben zu finden.

 

Schlagworte
« Die Scuba Capsule „Jacques – Entdecker der Ozeane“ »

Kommentare

Kommentar von karl kleemann |

bleib weiter so und viel Erfolg!

Kommentar von Bine |

Super spannend zu lesen. Ich habe vor einigen Jahren fast 1 Jahr lang in einem Meeresschutzprojekt in Mexiko gelebt. Über die Saison hinweg stieg die Wassertemperatur von ca 25 Grad auf über 30 Grad an, was auch deutlich an den Korallen sichtbar war. Je wärmer es wurde, um so mehr bleichten. Ersichtlich wurde dann auch, dass die Anzahl an Krankheiten bei den Korallen zunahm, je weiter die Korallenbleiche voranschritt.

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