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28.03.2016 Christiane Stenzel

One Earth – One Ocean: Maritime Müllabfuhr auf Mission

Wie kommt der Müll aus dem Meer?

Die Seekuh. © One Earth - One Ocean

Taucherglocke im Gespräch mit Günter Bonin

„Über 70 % der Wasserproben enthalten Plastikteile.“


Günther Bonin ist nicht stoppen, wenn er einmal beginnt, über seine Leidenschaft zu sprechen, den Plastikmüll aus dem Meer zu fischen. Die Überzeugung hinter seinen Worten wird schnell deutlich:

Der Mann tut, was er für wichtig und richtig hält. Und denkt dabei noch unternehmerisch, jedenfalls wenn es um folgendes geht:

  • Wie bekommen wir den (Plastik-)Müll aus dem Meer?
  • Wie kann ich den Menschen in stark betroffenen Regionen helfen?
  • Welche Mittel kann ich ihnen an die Hand geben, damit sie dieses Problem langfristig selbstständig angehen können – und das vielleicht sogar mit wirtschaftlichem Erfolg, der die Region vor Ort stärkt?

 
Überzeugungstäter und Unternehmer

Über Günter Bonins Schlüsselerlebnis ist viel berichtet worden: davon, wie er 2008 eine legendäre Segelyacht für einen Freund überführte und sich des Nachts inmitten eines Müllteppichs wiederfand. Wie er - der über 30 Jahre in der IT tätig ist, Unternehmer und sein eigener Herr, die Kinder aus dem Haus - ins Grübeln gerät. „Das Materielle ist ja nicht das Wichtigste im Leben.“

Günter Bonin gründet den Verein One Earth – One Ocean. Im Laufe der folgenden Jahre gelingt es ihm, Sponsoren wie die Telekom AG oder die Röchling Stiftung aus Mannheim für sein Projekt zu gewinnen.

Aber Bonin macht noch mehr: Der Unternehmer ändert seine Firma, firmiert sie um zur Reinigung für Gewässer, zur Securion AG. Ändert ihren Zweck um sich ganz seinem Projekt widmen zu können: einer maritimen Müllabfuhr. Die Securion AG unterstützt den Verein finanziell.

 

Die Mitglieder der Müllabfuhr: Vom Seehamster zur Seekuh

Bonin versammelt Experten um sich herum: Schiffsbauer, Meeresbiologen, Netzbauer. Gemeinsam entwerfen sie den Hamster, die Seekuh und den Seeelefanten. Was klingt wie die Mitglieder eines maritimen Zoos, nennt Bonin seine „maritime Müllabfuhr“. Sie holen den Müll aus dem Meer.
Mittlerweile hat Bonin eine eindrucksvolle Flotte. 

 

Der Seehamster

Der Seehamster ist ein Katamaran. Er kann vor Inseln und Flussmündungen eingesetzt werden oder in Seen und Meeren. Dabei kann dann individuell eingestellt werden, welche Art und welche Größe von Müll gesammelt werden soll.
Einsatzgebiete sind z.B. Seen, Flüsse, Mittelmeer, Ostsee, Nordsee …
Den Seehamster ist mobil und aufblasbar.

 

Der Seefarmer und der Seewolf

Seefarmer und Seewolf sind beides Katamarane, mit unterschiedlichen Aufgaben: Die Seefarmer ernten die Netze der Seekühe, und bringen ihre Plastikfracht zum Tanker (Seeelefant, s.u.). Der Seewolf dagegen geht auf die Jagd nach größeren Plastikinseln: Er zerlegt sie und bringt den Müll dann ebenfalls zum Seeelefanten.

 

Der Seeelefant

Der Seeelefant ist ein Tanker. Die Tanker begleiten die Farmer und Seekühe. Die Aufgabe des Seelefanten ist es den Plastikmüll zu sortieren, zu zerkleinern und in Energie umzuwandeln.. Nicht verwendbare Stoffe bringt er zur Weiterverarbeitung an Land. Auch der Seeelefant wird mit neuester Technologie ausgestattet sein, betrieben von Wind, Sonne und Rotoren. 

 

Die Seekuh

Die Seekuh, ebenfalls ein Katamaran, wird aktuell in einer Werft in Lübeck gebaut. Sie soll dieses Jahr auf Reisen um die Welt gehen – und beweisen, dass das Projekt funktioniert, auch in größerem Stil. Als Einsatzgebiete sind deshalb größere Gewässer wie der Pazifik oder Atlantik angedacht.

Die Seekuh „grast“ das Plastik aus den Gewässern und legt die vollen Netze mit Angabe der Länge und Breite ab.
Das Netz ist dem Katamaran vorgelagert. Es ist immer auch ein Taucher an Bord, sollte sich doch einmal ein Tier, z.B: eine Meeresschildkröte im Netz verfangen. Aber die Seekuh ist langsam: 4 km, ca 2 Knoten, schafft sie nur. 2 Tonnen Plastik täglich wären machbar – abhängig davon, wo man sie einsetzt.

„In Kambodscha könnte sie einfach wie ein Bagger den Müll an den Strand schieben. So viel Müll gibt es dort im Wasser.“

Die „Tiere“ in Bonins Zoo fahren mit Wind- und Solar-Technologien.

 

Müll ist nicht gleich Müll

Müll ab 2,5 cm ist Günter Bonins Thema – und die Größe, ab der seine maritime Müllabfuhr aktiv werden kann. Mikroplastik, also alles, was darunter ist, hält er für verloren. „Das bekommen sie nicht mehr raus, wenn es erstmal drin ist.“

Das ist schlimm genug und deswegen darf auch nicht mehr Müll hinein: Zellophan, Plastikflaschen, Weichmacher .

„Weichmacher sind am Schlimmsten.“

Auch was das angeht, geht er den Weg des Unternehmers. Er sucht den Dialog. So gehört er mit One Earth - One Ocean auch zu den Gründungsmitgliedern des Bundesverband Meeresmüll, der 2013 in Hamburg ins Leben gerufen wurde. Es ist ein Netzwerk aus Wissenschaftlern, Vertretern der Wirtschaft, Organisationen und Verbänden, die sich darüber austauschen, wie Meeresmüll vermieden werden kann. Harmonisch findet dort die Auseinandersetzung nicht immer statt. Aber man trifft sich, man redet. Bonin will verstehen, wie die Dinge funktionieren und was für Alternativen es geben könnte. Auch für die Wirtschaft.
 


„Waste to Energy“ oder: Wie man aus Müll Energie gewinnt

Günther Bonin glaubt an sein Konzept. Ganz der Unternehmer geht er aber noch ein Stückchen weiter. „Waste to Energy“ nennt sich ein Folgeprojekt. Aus Müll etwas Sinnvolles, etwas Gewinnbringen des machen – das ist sein Ziel. Und ein Konzept, dass den ärmeren Regionen der Welt helfen soll, sich des Müllproblems zu entledigen – und dies auf wirtschaftliche Art und Weise.

Bei „Waste to Energy“ wird alles, was aus dem Wasser gefischt wird zu Energie umgewandelt.
Ein weiteres Projekt ist die Reinigung des Nigerdeltas in Nigeria. Hier wird Öl aus dem Wasser gefiltert

Wie das geht? Mit Wachswolle.
Wie ein Schwamm saugt die Wachswolle sich voll, wird ausgewrungen, und lässt das Öl zurück. Das Öl lässt sich wiederverwenden, zumal in den ärmeren Regionen könnte dort den Menschen damit ein Mittel zur Selbsthilfe an die Hand gegeben werden.

„Es funktioniert. Und muss um sich greifen. Andere müssen mitmachen."

Dies ist ihm ein Anliegen. Ausprobiert haben sie das in Nigeria. Nigeria ist ein Beispiel dafür, dass alles miteinander zusammenhängt. Dass es auch egal ist wo man anfängt, Hauptsache man tut es. Als Beispiel nennt er die Geschichte von den 29.000 bunten Quietscheenchten, die ein Frachter 1992 verlor, und die seither im Meer dahin schaukeln und an den unterschiedlichsten Stellen wieder auftauchen – und sogar für Meeresforscher interessante Einblicke in die Meeresströmungen liefern. Soll heißen: Man kann überall anfangen, egal wo.
So baut er die Lebensgrundlagen im Nigerdelta kontinuierlich mit auf.
Und tut es noch. Aktuell ist wieder einer der Mitarbeiter von One Earth - One Ocean dort.

Bonin hält es für essentiell, die Menschen vor Ort mit einzubinden. Sie am Öl verdienen zu lassen, das sie aus dem Wasser holen. Sprichwörtlich.

"Ich sehe uns hier auch als Impulsgeber.“

Das sehen auch andere so: Im Jahre 2013 erhielt er den Green Tech Award in der Kategorie Kategorie Galileo Wissenspreis.

Bonin ist kein Umweltaktivist. Wie es auch in der Laudatio hieß - er ist Visionär und für die Rückführung des Plastiks in den Wertstoffkreislauf. Aus einer Tonne Plastik lassen sich dabei umweltschonend circa 900 Liter Öl zurückgewinnen.

Also ein Unternehmer mit ethischem Anspruch. So soll es in seinen Augen auch sein. Auf staatliche Förderungen, um die er sich Anfangs bemühte, rechnet er nicht mehr. Da nimmt er kein Blatt vor den Mund. Er sucht seinen eigenen Weg.

„Gib den Menschen Geld fürs Aufräumen.“ Auch das ist eine seiner Maximen: Hilfe zur Selbsthilfe.
„Unser Lebensstandard ist so, dass ich mir über dieses Thema Gedanken machen kann. Wir sind verantwortlich für viele Übel in der Welt.“

Günter Bonin ist mit One Earth – One Ocean in fünf Jahren weit gekommen.
Auch wenn ihm, dem Unternehmer, vieles immer noch oft zu langsam geht.

 

Der passionierte Segler Günter Bonin. © One Earth-One Ocean
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